Transformation und Steuerung in der Versicherungsbranche – mit einem Experten im Gespräch
Shownotes
Fragen:
Welche wichtigen Veränderungen prägen derzeit die Versicherungsindustrie?
Was bedeutet Digitalisierung konkret für Versicherungsunternehmen?
Wie gut sind Versicherungsunternehmen für ein Optimieren ihrer Unternehmenssteuerung und ihres Performance Management aufgestellt?
Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz (KI und Generative KI) bei den Versicherern und welche Entwicklungen sind zu erwarten?
Wie viel Freiraum haben Versicherer mit Blick auf die Digitalisierung und auf agile Steuerungsansätze unter den aktuellen regulatorischen Anforderungen?
Wie stark bedrohen InsurTechs die etablierten Versicherungsunternehmen?
Werden Versicherer in der Plattformökonomie bald nur noch als Produktlieferanten für digitale Ökosysteme fungieren?
Welche Schwerpunkte setzen Versicherungskonzerne bei ihren Transformations- und Kulturwandel-Initiativen? Welche Engpässe gibt es dabei?
In welchen Bereichen müssen Versicherer bei der Qualifizierung ihrer Führungskräfte und Mitarbeiter am meisten nachlegen und wie können sie das erreichen?
Nutzen Versicherer das Potenzial ihrer Daten wirklich?
Welche unterschiedlichen Herausforderungen gibt es in den verschiedenen Sparten und Funktionen der Versicherungsunternehmen?
Wie sieht die Zukunft der Versicherungsbranche im Jahr 2030 aus?
Weiterführende Links:
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00:00:09: Podcast: Zielführung starten - der Management-Podcast von CTcon.
00:00:22: Christian Bungenstock: Willkommen zu einer neuen Episode von Zielführung starten, dem Management-Podcast von CTcon. Ich bin Christian Bungenstock, Partner bei CTcon in Düsseldorf, und freue mich, auch heute wieder Ihr Gastgeber zu sein. Diese Folge beleuchtet die wichtigsten Trends und Veränderungen im Versicherungsmarkt und richtet besonderes Augenmerk auf die Digitalisierung und auf die Anforderungen an die Steuerung von Versicherungsunternehmen. Dazu sind zwei Experten im Gespräch. Rainer Brune ist ein kenntnisreicher, erfahrener Versicherungsfachmann. Er war 20 Jahre lang in verschiedenen Funktionen im AXA-Konzern tätig, zuletzt als Vorstand für P&C Retail und für das Kundensegment Öffentlicher Dienst. Ab dem Jahr 2014 fungierte er als Vorstandsvorsitzender in der ROLAND Rechtsschutzversicherung AG. Aktuell ist er als Senior Advisor für CTcon tätig und unterstützt die strategische Weiterentwicklung und das Portfoliomanagement bei der Aventus Maklergruppe. Rainer engagiert sich außerdem bei InsurLab Germany, einer Initiative für Digitalisierung und Innovation in der Versicherungsbranche. Björn Radtke ist Partner bei CTcon in Düsseldorf. Seit 1996 berät er führende Unternehmen und öffentliche Organisationen im Bereich Performance Management. Gemeinsam mit Praktikern großer Konzerne und in Zusammenarbeit mit der WHU widmet er sich den Zukunftsthemen in Unternehmenssteuerung und Controlling. Freuen Sie sich auf dieses Gespräch in Zielführung starten und gewinnen Sie wertvolle Einblicke für Ihren Arbeitsalltag.
00:02:01: Björn Radtke: Rainer, herzlich willkommen hier. Es freut mich, dass wir zwei über die Trends in der Versicherung sprechen können. Herzlich willkommen hier bei uns in Düsseldorf heute.
00:02:09: Rainer Brune: Björn, vielen Dank für die Einladung. Ich freue mich natürlich sehr auf das Gespräch mit dir und bin gespannt auf deine Fragen.
00:02:16: Björn Radtke: Ja, da gibt es eine ganze Masse, vor allen Dingen, wenn man einen Kollegen vor sich hat, den man als ein Kind der Versicherung bezeichnen könnte, nach allem, wie ich dich kennengelernt habe. Und wenn man Versicherungen so lange macht, wie du es tust, liegt die Frage nahe: Was hat sich denn da so getan? Was sind denn jetzt wirklich die großen Trends? Wo verändert sich die Branche? Wo bist du selbst überrascht, was da so gerade passiert oder passiert ist? Kannst du uns da mal einen Überblick geben?
00:02:39: Rainer Brune: Ja, gerne. Wenn man jetzt mal auf die Versicherungsbranche schaut, dann würde ich erstmal sagen, ist das ein stabiles Geschäftsmodell. Und das passt natürlich auch zur Selling Proposition der Versicherung, denn die beruht ja auf Sicherheit und auch auf Vertrauen. Ein stabiles Geschäftsmodell kann da nur helfen. Wenn man jetzt mal auf die letzten Jahre schaut, dann würde ich sagen, ist die Branche auch ganz gut durch die diversen Krisen gekommen, und der Verband hat ja jetzt kürzlich erst die Zahlen für das Jahr 2024 und auch die Prognose für 2025 veröffentlicht. Das Wachstum im Versicherungsbereich lag 2024 bei 5,3 Prozent. Das ist ja schon mal eine ganz ordentliche Hausnummer, und ich denke mal, in der jetzigen konjunkturellen Verfassung der Wirtschaft wären andere Branchen wahrscheinlich froh, wenn sie dieses Wachstum ausweisen könnten. Jetzt darf man natürlich nicht in die Erfolgsfalle tappen. Es gibt schon eine ganze Menge Herausforderungen auch für die Versicherer. Deshalb muss man diese 5,3 Prozent auch ein bisschen intensiver lesen, denn das ist nicht nur organisches Wachstum. Was sind denn jetzt die großen Trends? Natürlich hat die Versicherung auch mit dem Kapitalmarkt zu kämpfen und mit der volatilen Zinsentwicklung. Das sieht man im Übrigen gut in der Lebensversicherung. Dieses Wachstum in 2024 kommt ganz stark aus dem Einmalbeitragsgeschäft. Laufende Beiträge sind sogar leicht negativ. Das zeigt eben auch die Volatilität dieses Geschäfts. Der Zins hat quasi ein Äquivalent auf der anderen Seite, das ist die Inflation. Und Inflation treibt natürlich den Schadenaufwand, und das sieht man natürlich in der Sachversicherung. Schadeninflation ist in den letzten Jahren ein großes Thema gewesen und hat auch in diversen Sparten, wie Wohngebäude und Kfz, dazu geführt, dass die Schadenkostenquote über 100 Prozent gestiegen ist. Und das wird nochmal durch das ganze Thema Elementarschadenentwicklung verstärkt. Das setzt schon die Versicherungstechnik unter Druck. Man kann ja auch davon ausgehen, dass der Klimawandel nicht wieder verschwinden wird. Das heißt, das wirkt auch dann nochmal in der zweiten Linie in Richtung der Rückversicherungspreise. Und letztendlich macht es das Geschäft auch teurer, weil man mehr Kapital benötigt. Das vergessen viele, aber Solvency II gibt ja eben vor, dass die Unternehmensrisiken auch mit entsprechend Kapital hinterlegt werden müssen. Und wenn die Risiken steigen, dann steigt auch der Kapitalbedarf. Also das ist ein Thema, das wird die Versicherer definitiv beschäftigen. Und dann kommt natürlich noch eine Sache hinzu, das sind die ganzen regulatorischen Vorgaben, die natürlich auch nicht weniger werden. Also da gibt es viel zu tun.
00:05:30: Björn Radtke: Also es gibt nur Probleme? Das klingt ja jetzt nach großen Risiken. Es wird teurer, es wird mehr reguliert.
00:05:36: Rainer Brune: Macht das überhaupt keinen Spaß mehr? Doch, es macht natürlich schon Spaß. Das sieht man ja jetzt auch an den Ergebnissen, gerade auch der großen Aktiengesellschaften. Wenn man mal auf die Dividende in Rendite schaut, dann sind das, glaube ich, schon auch interessante Größenordnungen für die Investoren. Ich würde auch sagen, dass die Probleme, die ich jetzt dargestellt habe, im Grunde genommen systemimmanent sind. Das ist jetzt auch nicht komplett neu. Es hat schon immer Herausforderungen bei der Versicherungstechnik gegeben, und dass mal Rückversicherungspreise steigen, das ist jetzt auch nicht zum ersten Mal so. Wenn man jetzt wirklich über Transformation spricht in der Branche, dann gibt es, glaube ich, noch ein paar andere Themen, die man beleuchten kann. Ich nenne das ja immer so die drei Ds der Transformation. Das sind die Themen Demografie, Digitalisierung und Daten. Und ich gehe mal davon aus, dass wir uns diesen Themen auch noch ein bisschen widmen werden im Gespräch. Ich darf vielleicht so viel sagen, dass ich persönlich glaube, dass dieses Thema Demografie, obwohl jeder darüber spricht, tatsächlich weitgehend noch unterschätzt ist.
00:06:38: Björn Radtke: Was passiert denn da mit der Demografie?
00:06:39: Rainer Brune: Ja, also ich glaube, dass die Demografie den Versicherern gleich zwei Herausforderungen ins Buch schreibt. Natürlich ist es klar, wenn die Gesellschaft altert, dann wird auch der Kundenstamm älter. Und das bedeutet letztendlich, du hast weniger echte junge neue Kunden, die mit wenig Versicherungsbedarf ins System kommen. Und dafür hast du immer mehr ältere Kunden, die eigentlich immer weniger Versicherungsbedarf haben, die tendenziell auch höhere Schäden verursachen und die sich in der Entsparphase befinden, was jetzt Vorsorgeprodukte angeht. Das heißt, da wird der Kuchen kleiner. Das wird mit Sicherheit zu einer höheren Wettbewerbsintensität führen. Und dann hast du natürlich auf der anderen Seite das ganze Thema Fachkräftemangel und vor allen Dingen auch einen Generationswechsel bei den Vertriebspartnern, weil die Vertriebspartner natürlich mit ihren Kunden gealtert sind. Und jetzt entsteht eigentlich ein Generationswechsel oder der steht an, aber leider fehlt die neue Generation. Also der Wettbewerb findet allenfalls bei den Kunden statt und er findet statt bei den Vertriebskapazitäten. Und das wird, glaube ich, im Vertrieb dazu führen, dass sich in Zukunft die Strukturen, die Betreuungsmodelle, auch die Vergütungssysteme verändern werden, gerade auch in den großen AO-Organisationen. Und im Maklerbereich sieht man einen ganz klaren anderen Trend, das ist nämlich der Trend zur Konsolidierung, und der ist ja momentan im vollen Gange.
00:08:11: Björn Radtke: Wird es dann überhaupt noch Vertriebler brauchen? Es gab ja vor Jahren mal ganz dramatische Zahlen, die prognostizierten, dass Versicherungsgeschäfte eigentlich nur noch digital abgeschlossen werden. Und viele haben vom hybriden Kunden gesprochen. Irgendwie hat sich das noch nicht so durchgesetzt, glaube ich.
00:08:27: Rainer Brune: Der Kunde ist in der Tat hybrid. Aber das führt, glaube ich, nicht dazu, dass der personelle Vertriebskanal ausstirbt. Das sieht man eigentlich auch an den Zahlen. Allen Unkenrufen zum Trotz. Es gab seinerzeit diese Studien. Behauptet sich gerade die Ausschließlichkeitsorganisation relativ gut in diesem Markt. Auch die Makler und der Direktvertrieb, also vor allen Dingen auch der Onlinevertrieb über die Portale, über die Vergleiche, stagniert eigentlich in den meisten Sparten mit einem Marktanteil um die 10%. Es gibt im Kfz natürlich mehr Geschäft, im Rechtsschutz auch ein bisschen mehr, aber ansonsten kommen wir nicht über die 10%. Und das liegt, glaube ich, einfach am Charakter des Produkts. Es ist erklärungsbedürftig. Es ist ein Low-Interest-Produkt. Versicherungen werden normalerweise nicht gekauft, sondern sie werden verkauft. Du brauchst im Grunde genommen jemanden, der das Produkt berät und dann auch verkauft und der auch beim After-Sales-Prozess zur Verfügung steht, wenn es um Problemlösungen geht. Natürlich, das ist die andere Sache, das ist völlig klar. Kunden, das gilt übrigens auch für die Vertriebspartner, sind natürlich an digitale Problemlösungen mittlerweile gewöhnt. Jeder weiß, am schnellsten geht es direkt mit dem Smartphone, und das ist halt auch die Anforderung an die Versicherung. Warum sollte das auch nicht so sein? Und da wird sich die Branche bewegen müssen, denn das ist momentan noch nicht in allen Prozessen, die der Kunde beim Versicherer erlebt, die Realität. Ich würde sagen, die Realität ist momentan größtenteils eine andere.
00:10:03: Björn Radtke: Okay. Das ist doch eine gute Überleitung in Richtung deiner anderen beiden Ds. Das erste Bemerkenswerte ist ja schon, dass du Digitalisierung und Daten trennst. Einige würden ja sagen, das ist doch irgendwie ein Topf. Und es gibt ja auch ausreichend Stimmen, die sagen, bei so einem, ich mache es mal plakativ, bei langweiligen Produkten kann ich ja eigentlich nur mit digitalen Themen noch auf Effizienz wirken und vielleicht auf eine bessere Kundenschnittstelle, weil ich am Produkt gar nicht so viel machen kann. Also muss doch alles in Richtung digital sowohl für Effizienz als auch für einen besseren Absatz gehen. Wie ist da die Entwicklung?
00:10:35: Rainer Brune: Also ich glaube schon, dass Prozesse und schlanke Prozesse eine deutlich größere Bedeutung gewinnen werden. Man kann vielleicht sogar die These in den Raum stellen, dass in Zukunft Prozess Produkt schlägt. In der Wahrnehmung, das ist vor allen Dingen auch ein Thema für die Vertriebe, weil natürlich die Komplexität in den letzten Jahren enorm gestiegen ist und gerade Vertriebspartner unter dieser Komplexität leiden. Denn am Ende landet alles beim Vertriebspartner. Der Vertriebspartner kümmert sich um diese Dinge und kommt am Ende gar nicht mehr zum Geschäft und zum Verkauf und zum Ausbau des Bestandes. Das ist definitiv so. Deshalb wird natürlich auch der Weg hin in Richtung Digitalisierung gehen. Man muss aber ein bisschen unterscheiden zwischen dem Thema Prozessmanagement und der Digitalisierung von Prozessen auch im Innendienst und dem Thema Digitalisierung. Wie gestalte ich eigentlich die Beziehung zum Kunden? Und ich glaube, in der Beziehung zum Kunden ist das Mittel der Wahl, dass man eine Omnikanal-Strategie fährt, dass man bestimmte Dinge natürlich digital unterstützt, aber dass man auch den Wert einer persönlichen Beziehung weiterhin in den Vordergrund stellt. Dann muss aber derjenige, der diese persönliche Beziehung darstellt, auch so entsprechend entlastet werden, dass er überhaupt in der Lage ist, diesen Service zu erbringen. Wenn man heute versucht, den Versicherer zu erreichen, kann das teilweise zu langen Wartezeiten führen. Das ist sicherlich jetzt nicht generell so, aber das kann passieren. Und dann wird man dort vielleicht auch ein bisschen schneller abgefertigt, weil der ganz klare Fokus auf Effizienz liegt. Und da muss man, ich glaube, darauf achten, dass man im Grunde genommen auch den Anspruch rechtfertigt, denn man darf ja auf der anderen Seite nicht vergessen, inflationsbedingt wird Versicherung immer teurer, und die Versicherer müssen natürlich auch unter Beweis stellen, dass sie für den Kunden weiterhin ein wertvoller Partner sind.
00:12:41: Björn Radtke: Lass uns nochmal bei dem Daten- und Digitalisierungsthema tieferlegen, denn mein Metier ist ja typischerweise, Steuerung zu verbessern, Performance Management. Das ist inzwischen extrem datengetrieben. Was ändert sich damit eigentlich in der Versicherung? Wie steuere ich denn besser ein Versicherungsunternehmen?
00:12:57: Rainer Brune: Ja, also ich glaube, das wird erstmal noch ein weiteres Thema werden für die Versicherer, denn ich glaube, dass das im Moment noch nicht alle Versicherer so tun. Normalerweise würde man ja sagen, wenn jetzt der Druck auf die technischen Ergebnisse steigt, das heißt... Damit auch das Risiko, dass man die gesetzten Pläne nicht erreicht, müsste ja normalerweise ein viel stärkerer Fokus auf dieses Thema Unternehmenssteuerung gelegt werden. Und es betrifft ja nicht nur die reine Versicherungstechnik, es betrifft natürlich auch die Servicequalität, es betrifft das ganze Thema Prozesseffizienz und so weiter. Was ich im Grunde genommen in den Unternehmen häufig noch sehe, ist, dass eigentlich ein bisschen reaktiv gesteuert wird. Das heißt, man macht Abweichungsanalysen zur Vergangenheit und versucht daraus Erkenntnisse für die Zukunft abzuleiten. Das ist meines Erachtens nach zu kurz gesprungen, denn am Ende des Tages verfehlt man dann den Plan trotzdem. Deshalb müssen die Versicherer eigentlich dahin kommen, proaktiver zu steuern. Das heißt, es muss auch eine größere Kompetenz entwickelt werden für das Thema vorausschauende Planung und vorausschauende Szenarien zu entwickeln, praktisch frühzeitig zu Maßnahmen zu kommen, die dann auch sicherstellen, dass ein Plan tatsächlich erfüllt wird. Und du hast es eben angesprochen, das geht natürlich nur, wenn man die richtigen Daten hat und wenn man die richtigen Methoden hat. Und da, glaube ich, ist in vielen Unternehmen auch noch eine Menge Hausarbeit zu erledigen, denn die Datenhaushalte sind vielfach noch nicht konsolidiert. Das heißt, Daten sind verteilt in unterschiedlichen Systemen. Die Datenqualität ist nicht gleichbleibend gut. Man hat Inkonsistenzen. Man braucht sehr viel Zeit, um diese Dinge dann zusammenzuführen. Und dann ist man im Grunde genommen nicht schnell genug am Punkt. Und es kommt ein anderes Thema dazu. Man versteht, glaube ich, an vielen Stellen auch noch nicht wirklich, ich sage mal jetzt treiberbaumgetrieben, die echten Hintergründe, die dann wesentlich sind für die Entwicklung bestimmter KPIs. Ich gebe mal ein Beispiel dazu. Ich habe ja eben über das Thema Inflation gesprochen, und normalerweise bekämpfst du Schadeninflation dadurch, dass du die Prämien anhebst. Das haben die Versicherer auch gemacht. Das ist eben halt auch ein Grund, warum in der Sachversicherung momentan der Umsatz hochgeht. Aber meine Erfahrung ist, dass man grundsätzlich die Wirkung der Inflation unterschätzt und die Wirkung der Preiserhöhung überschätzt. Das ist aber Gutfeeling. Und Gutfeeling, finde ich, hat eigentlich in der Unternehmenssteuerung nicht so viel zu suchen. Das heißt, man muss eigentlich dahin kommen, wirklich diese Dinge zu analysieren und auch die Beziehungen untereinander, diese Einflussfaktoren darzustellen. Dann kommt man wirklich dahin, zu sagen, ich habe ein belastbares Szenario und ich kann die Maßnahme so justieren, dass sie dann tatsächlich auch dazu führt, dass ich den Plan erfülle. Denn ich sage mal so, jetzt bei dem Thema Preiserhöhung kannst du natürlich immer auch sagen, naja gut, dann nehme ich prinzipiell 5% mehr. Aber das hat natürlich auch eine Auswirkung auf das Storno. Und das will man natürlich auch vermeiden. Also man möchte nicht zu viel und man möchte nicht zu wenig, sondern man möchte den richtigen Wert. Und den kriegst du halt nur dadurch, dass du wirklich verstehst, wie die Mechanik innerhalb dieses Treiberbaums funktioniert.
00:16:27: Björn Radtke: Warum ist dann aus deiner Sicht das so ein Problem in Versicherern? Denn ich würde ja sagen, wenn es irgendwo eine Branche gibt, wo man mit Zahlen gewohnt ist und mit Zukunft gewohnt ist zu rechnen, dann müsste es doch eigentlich die Versicherung sein. Wo man sagt, stochastische Modelle, Aktuare im Haus, alles Menschen, die Zahlen, Zusammenhänge, egal ob aus Zeitreihen oder aus Kausalitäten, verstehen müssten. Also eigentlich ist es doch die Branche, wo man sagt, da müsste doch mit Daten richtig viel in der Steuerung kommen.
00:16:56: Rainer Brune: Ja, das könnte man unterstellen, denn Versicherungen sind Datenunternehmen. Aber Versicherungen sind, würde ich jetzt mal behaupten, aus der Historie heraus nicht datengetrieben. Das ist ein großer Unterschied, ob du Daten verarbeitest oder ob du wirklich datengetrieben bist. Und ich glaube, dass viele Unternehmen in der Vergangenheit auch gar nicht diesen Druck hatten, wirklich so auf den Punkt zu steuern. Oder das mag auch daran liegen, dass es ja in Deutschland unterschiedliche Rechtsformen gibt, die natürlich auch unterschiedliche Ansprüche an ihr Geschäft haben und unterschiedlich auch gesteuert werden. Aber ich sage mal so, wenn die Luft dünner wird, dann muss man sich eben halt neu orientieren. Und wenn man im Grunde genommen diese Aspekte jetzt mal nochmal auf sich wirken lässt, die ich eben genannt habe, dann ist da, glaube ich, schon Handlungsbedarf, denn man darf ja eins nicht vergessen: Abgesehen von der Versicherungstechnik, wenn man jetzt in Richtung Digitalisierung das Unternehmen neu aufstellen will, dann kostet das natürlich richtig viel Geld. Und das Geld, das musst du ja erstmal verdienen. Und deshalb kommt da mehr Druck drauf. Wenn man jetzt in den Markt reinschaut, dann haben wir ja noch sehr viele Versicherer in Deutschland. Also wir haben über 500 Versicherer im Markt. Die sind natürlich völlig unterschiedlich von der Struktur und von der Größe. Aber gerade die kleineren Unternehmen werden in diesem Zusammenhang unter Druck kommen, denn wenn du sozusagen einen Mehrfrontenkrieg führen musst, Versicherungstechnik optimieren, höherer Kapitalbedarf und Investitionsmittel freisetzen, dann ist das schon eine Anforderung. Das ist schon sportlich. Deshalb glaube ich, wird das Thema Steuerung auf den Punkt an Bedeutung gewinnen.
00:18:46: Björn Radtke: Du hattest das erste Stichwort Regulatorik. Jetzt habe ich auch Gespräche geführt in der Versicherungsbranche, wo mir dann auch Vorstände sagen, ich bin so mit regulatorischen Themen ohnehin in einem Korsett, dass die Freiräume für Steuerung eigentlich überschaubar sind, weil ich kann da gar nicht mehr so viel machen.
00:19:02: Rainer Brune: Was sagst du dazu? Politisch muss sich ein Versicherungsvorstand vielleicht ja auch so äußern. Also welcher Versicherungsvorstand wird schon hergehen und sagen, wir brauchen noch mehr Regulatorik? Das ist, glaube ich, unrealistisch. Ich würde sagen, tatsächlich ist der Regulator der beste Freund der Versicherer. Denn Regulierung ist natürlich auch Existenzschutz. Das darf man nicht vergessen. Also ich glaube nicht, dass wir eine Situation mit über 500 Unternehmen im Markt hätten, wenn es die Regulierung nicht geben würde. Denn der Regulierer achtet darauf, dass der Versicherer auch jederzeit in der Lage ist, die Verpflichtungen gegenüber dem Kunden darzustellen. Und das ist ja letztendlich auch, ich habe es eben gesagt, unsere Selling Proposition, das ist ja vertrauensbildend. Wenn wir das nicht können, dann ist ja unser Geschäftszweck weg. Wir haben ja ein Geschäftsmodell, wo uns der Kunde quasi sein Geld anvertraut, ohne im ersten Schritt irgendwas dafür zu kriegen. Und wir geben das Versprechen, dass wir irgendwann die Leistung bringen. Deshalb ist es, glaube ich, notwendig, dass man da auch im Grunde genommen klar ist, bezogen auf die Regulierung. Ich glaube auch, dass man vor dem Hintergrund sagen kann, dass Solvency II ein wirkliches Erfolgsmodell ist. Das haben die Versicherer mittlerweile auch inhaliert, und das läuft, finde ich, auch gut. Jetzt kommen natürlich ein paar neue Themen dazu, und da werden auch natürlich wieder neue Lösungen notwendig sein. Also die ganze Thematik rund um die IT-Regulierung beispielsweise. Wir hatten erst VIT, jetzt seit dem 17.01. ist die DORA-Verordnung in Kraft, und da werden einige Versicherer noch in 2025 viel Arbeit zu leisten haben. Aber auch da muss man wirklich sagen, es geht ja um IT-Sicherheit, es geht um den Schutz unserer Daten. Die Gefahr, dass da etwas passiert, steigt ja praktisch täglich. Und wir müssen uns, finde ich, als Branche so gut es geht dagegen absichern, denn die Daten unserer Kunden sind ja das höchste Gut. Du hast es auch wahrscheinlich mitbekommen, dass es schon in den letzten Monaten, im letzten Jahr davor, den einen oder anderen Vorfall gegeben hat, wo ein Versicherer auch betroffen war. Als verantwortlicher Vorstand glaube ich nicht, dass man das erleben möchte.
00:21:20: Björn Radtke: Also du sagst, Regulatorik ist erstmal der Freund der Versicherer, und der Teil meiner Frage, wo ich äußern könnte, in Richtung trotzdem noch genug Freiräume intern mehr zu machen.
00:21:30: Rainer Brune: Das gilt wie bei anderen Themen auch. Wer arm ist, muss schlau sein. Man muss eben halt Wege finden, wie man mit dieser Regulatorik umgeht. Und es ist ja am Ende des Tages ein Play and Field für alle Beteiligten. Es ist ja nicht so, dass Unternehmen A anders reguliert wird als Unternehmen B, sondern das ist im Grunde genommen ihr Marktusus. Wenn wir uns in einem digitalen Umfeld bewegen, wo wir mit anderen Playern im Markt konkurrieren, dann wird Regulatorik natürlich häufig als hinderlich wahrgenommen. Aber auch da gilt, ich sage mal, es ist ja unseriös zu sagen, dann opfere ich irgendwelche Kundendaten diesem Geschäftsmodell und gehe die Risiken ein. Und wenn dann hinterher irgendetwas passiert, das kann ja nicht das Ziel sein.
00:22:18: Björn Radtke: Okay. Du hast erst auch das Stichwort großer Transformationsbedarf gebracht. Das ist ja schnell eine Worthülse, und fast jede Branche wird von sich behaupten, wir machen gerade Transformation. Wo gibt es das speziell in der Versicherung? Welche Dimensionen sind das eigentlich? Was sind da die größten Herausforderungen? Viele haben dann irgendwie Stromberg vor sich und sagen, Mensch, muss doch alles ganz anders werden, als es in der Vergangenheit war. Es gab den agilen Hype, der, glaube ich, beim einen oder anderen schon wieder über den Peak hinaus ist. Was sind da die großen Transformationsströmungen?
00:22:48: Rainer Brune: Also ich glaube, dass auch aufgrund der Themen, die wir angesprochen haben, klar ist, dass Transformation notwendig ist. Wenn du aus dieser traditionellen Welt des Versicherers kommst, sehr funktional aufgestellt, teilweise in Spatensilos organisiert mit einer, ich sage das mal bewusst, altertümlichen IT und einer riesigen Prozesskomplexität, und du triffst jetzt eben halt auf Kundenanforderungen, die ganz anders geprägt sind. Und das sind nicht nur die Anforderungen der Kunden, sondern auch der Vertriebspartner. Dann musst du etwas tun. Also Transformation, das ist für mich Conditio sine qua non. Aber man muss eben halt auch aufpassen, dass man da mit Augenmaß rangeht. Du hast eben das Thema Agilität genannt. Ich glaube, da sind einige Player in der letzten Zeit einfach übers Ziel hinausgeschossen. Es macht sicherlich Sinn, in Teilbereichen der Unternehmen Dinge agil zu gestalten, aber ob man nun auf Teufel komm raus ein ganzes Unternehmen agil aufstellen muss, das möchte ich doch stark hinterfragen. Und ich glaube, das ist auch der Grund, warum Transformationsprozesse oder Projekte in der Vergangenheit oder auch aktuell scheitern, dass man das Unternehmen auf diesem Weg nicht vernünftig mitnimmt. Das ist für mich eine der Erkenntnisse, warum scheitern. Die Frage nach dem Warum oder Wieso wird gar nicht gut beantwortet. Und es ist ja nun mal so, dass Menschen verstehen wollen, warum sie sich verändern sollen. Wir machen ja unser Geschäft mit Menschen für Menschen. Wir sind ja nicht jetzt ein Produktionsbetrieb. Das heißt, wenn die Menschen bei der Transformation nicht mitmachen, kannst du nicht gewinnen. Ich glaube, das ist natürlich klar, dass man immer möchte, dass Menschen sich aus der Komfortzone bewegen, aber es ist nicht gut, von der Komfortzone direkt in die Panikzone zu gehen. Also das ist keine gute Idee, und deshalb musst du ein Narrativ haben, und das Narrativ muss das Wieso erklären. Aber du brauchst natürlich auch Zeit. Und diese Ziele müssen in der Organisation heruntergebrochen werden. Das heißt, ein Mitarbeiter muss für sich verstehen, wenn sich das Unternehmen ändert und mein Umfeld sich ändert, was bedeutet das für mich? Was bedeutet das für mein Team? Arbeite ich noch mit denselben Menschen zusammen? Muss ich mich qualifizieren? Was ist sozusagen "What's in it for me?" Und dann kriegst du im Grunde genommen die Leute mit an Bord. Ich glaube, das Grundübel ist, dass Transformation spontan entschieden wird, aber zu wenig wirklich in eine vernünftige Konzeption investiert wird, zu wenig Zeit und zu wenig Brain, denn wenn du das gut konzipierst, dann bekommst du auch Umsetzungsmomente, und das spielt sozusagen zusammen. Du kannst jetzt nicht aus dem Management heraus Transformation befehlen, machst irgendwie eine schöne Präsentation, schickst alle mal durch eine Schulung, und dann ist das passiert. Sondern das ist Transformation. Ich war ja nun zehn Jahre bei ROLAND verantwortlich. Ich würde behaupten, in den zehn Jahren haben wir ständig transformiert. Und auch für meine Nachfolger ist dieses Thema nicht zu Ende. Das ist ein Marathon.
00:26:21: Björn Radtke: Wir lassen mal dazu den Inhalt der Transformation. Du warst jetzt schon bei der Frage, wie mache ich es dann nachher? Aber wo sind jetzt eigentlich die ganz großen Themen? Über Digitalisierung haben wir gesprochen, die Welt wird digitaler. Gibt es ganz viele Transformationen in Bezug auf Produkte oder in Bezug auf Menschen? Brauche ich eigentlich ganz andere Typen in der Versicherung vielleicht?
00:26:39: Rainer Brune: Ja, ich glaube, du kannst ja auch nicht alle nach Hause schicken und jetzt ersetzen. Das geht schon alleine wegen des Fachkräftemangels nicht. Das macht man aber auch sowieso nicht. Das ist ja unseriös. Aber die Thematik ist, und das ist beispielsweise in der Versicherungsbranche überhaupt nicht etabliert, dass du Rotation hast. Du musst die Menschen mit dem Know-how im Unternehmen rotieren lassen, damit auch das vorhandene Know-how im Unternehmen geteilt wird. Das ist ein Riesenschatz, den ein Unternehmen hat, so frei nach dem Motto: Wenn das Unternehmen wüsste, was es alles weiß. Aber das kommt ja nicht zum Tragen. Und da macht natürlich Agilität Sinn, dass wenn du Problemthemen hast, dass du die cross-funktional löst und die entsprechenden Experten zusammenbringst, denn dann entstehen im Team viel bessere Lösungen. Und du hast jetzt eben Themen angesprochen. Was sind die großen Issues? Natürlich Digitalisierung. Und das bedeutet ja nicht nur, ich digitalisiere jetzt mal so ein bisschen oder ich versuche jetzt ein Kernsystem auszutauschen, sondern es geht ja darum, wirklich flächendeckend zu digitalisieren. Und um das zu machen, musst du natürlich auch erstmal Ordnung in deine Prozesswelt bringen. Und deshalb ist ein weiteres großes Thema, und das ist vielleicht sogar das Thema vor der Digitalisierung, das Prozessmanagement. Ein Riesenthema, wo du einfach ein anderes Mindset brauchst, wo du ganz stark Transformationen brauchst. Das andere Thema Steuerung haben wir schon angesprochen. Und dann kommt natürlich ein Riesenthema dazu, was auch meines Erachtens nach notwendig ist, weil eben diese demografischen Prozesse stattfinden. Du brauchst einfach eine viel stärkere Kundenorientierung. Denn heute ist die Verweildauer der Kunden im Unternehmen ja noch sehr hoch. Das liegt auch an unserem speziellen Produkt, aber das ist ja nicht Gesetz. Das muss nicht so bleiben. Wenn der Kunde enttäuscht ist, entscheidet er irgendwann mit den Füßen. Das muss man verhindern. Und deshalb muss natürlich eine viel stärkere Kundenorientierung, auch eine viel stärkere Orientierung an der Customer Journey passieren. Und das ist eine echte Herausforderung. Ich habe das eben ja schon mal gesagt. Unternehmen, Versicherungsunternehmen sind klassisch nicht so organisiert. Die sind nach Funktionen organisiert, und die Customer Journey stößt jeweils an die Funktionsgrenze, wird unterbrochen und läuft dann irgendwo anders weiter. Dem Kunden ist das ehrlicherweise völlig egal.
00:29:10: Björn Radtke: Wie gut ist das schon abgedeckt? Also siehst du da einen riesigen Spread zwischen Versicherern, die das schon gut machen mit der Customer Journey und solchen, die...
00:29:18: Rainer Brune: Ich glaube schon, dass es da Unterschiede gibt. Das ist auch ein bisschen aus dem Geschäftsmodell getrieben. Versicherer, die jetzt, sage ich mal, sehr stark im Privatkundengeschäft auch vielleicht ein gewisses Thema haben im Digitalvertrieb, denen bleibt im Grunde genommen gar nichts anderes übrig. Sag mal so, wenn du jetzt vielleicht dein Hauptgeschäft in der Industrieversicherung hast, dann bist du traditionell da noch anders aufgestellt. Konntest damit vielleicht auch bisher gut leben, aber die Industrieversicherung wird sich auch digitalisieren. Also an dem Thema kommt keiner vorbei. Die Entwicklungsreife ist unterschiedlich groß. Ich meine, das ist ja auch klar, habe ich eben schon angesprochen, ist auch stark mit Investitionen verbunden. Um das noch zu ergänzen, hatte ich ja eben schon angesprochen, vielleicht werden nicht alle Versicherer diesen Weg gehen können, haben auch nicht das Potenzial, das umzusetzen. Deshalb wird es mal spannend sein, ob nicht in den nächsten Jahren auch eine stärkere Konsolidierungsbewegung im Markt stattfinden wird. Wir haben ja momentan gerade eine sehr große Fusion zwischen zwei Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit. Und das könnte natürlich Schwung bringen.
00:30:28: Björn Radtke: Okay. Ich habe jetzt erst ein bisschen provokant gefragt, brauchen wir eigentlich ganz andere Menschen in der Versicherung? Du hast gesagt, hör auf zu spinnen, das ist ja nicht realistisch. Wenn wir trotzdem mal auf dieses Feld Kompetenzen und Qualifizierung schauen und sagen, was sind da eigentlich die Felder, in denen sich Versicherer weiterentwickeln sollten? Also sowohl fachlich... Ich glaube, es ist eine sehr stark durch Fachlichkeit geprägte Branche, also in meinem Benchmark über verschiedene Branchen, aber gerade auch in Bezug auf Führungskräfte. Wo siehst du da die Themen?
00:30:56: Rainer Brune: Also ich glaube, dass wir jetzt bei diesem ganzen Thema Datenmanagement, KI, auch Analytik, da haben viele Versicherer noch Nachholbedarf und müssen erstmal aufrüsten. Ich glaube aber, dass es nicht unbedingt immer so sein muss, dass man jetzt die vollumfängliche Organisation für ein bestimmtes Problem zur Verfügung stellt. Auch da muss sich das Mindset ändern. Viele Dinge kann man auch durch intelligente Kooperation darstellen. Es gibt viele InsurTechs, die wirklich interessante Lösungen bereitstellen, die Versicherer für sich nutzbar machen können, um auch schneller zu Ergebnissen zu kommen. Traditionell ist die Versicherungsbranche nicht so aufgestellt, weil wir einfach diese enorme Fertigungstiefe haben. Wir machen ja immer alles gerne selbst. Würde ich jetzt aber gerade für kleinere Player nicht empfehlen. Ansonsten ist es natürlich so, in so einem Transformationsprozess, wenn du das wirklich über die Bühne bringen willst, dann kommt es natürlich auf die Führungskräfte an, das ist ja klar. Wer sonst sollte diesen Transformationsprozess treiben? Und ja, die Führungskraft sitzt immer in der Mitte. Also ich sage immer, das ist die Frikadelle im Brötchen, Druck von beiden Seiten. Die Mitarbeitenden haben nicht auf die Transformation gewartet. Das Management macht Druck, und die Führungskraft muss halt sehen, wie sie damit zurechtkommt. Und da kommt natürlich das Thema Qualifikation, Begleitung, Feedback, Unterstützung ganz stark zum Tragen. Und nochmal, also ich glaube nicht, dass das reicht, wenn du jetzt sagst, ich habe so ein großes Transformationsprojekt vor mir, ich will vielleicht eine neue Strategie implementieren. Ich möchte auch eine andere Unternehmenskultur. Dann machen wir einmal ein Training für alle Führungskräfte, und dann bitte umsetzen. Das funktioniert so nicht. Auch das erfordert wirklich einen langen Atem. Und ich glaube, natürlich hat man immer dann diese Budgets im Kopf und ist das Geld gut investiert. Aber nochmal, wir machen das Geschäft mit Menschen für Menschen. Wenn du nicht in die Menschen investierst, dann kannst du nicht erfolgreich sein.
00:33:09: Björn Radtke: Du bist ja auch noch engagiert im InsurLab in Köln.
00:33:13: Rainer Brune: Was sind denn da die Themen, die ihr da macht? Ja, da geht es natürlich im Wesentlichen. Ich meine, das ist der Grund, warum es das InsurLab auch gibt. Diese beiden Parteien, Versicherer auf der einen Seite und Startup InsurTechs zusammenzubringen, im Sinne von einem Matchmaking und dann im Grunde genommen dafür zu sorgen, dass dort entsprechend gute Use Cases entstehen, die nach Möglichkeit auch skaliert werden können. Das funktioniert ja auch gut, und darüber hinaus versuchen wir natürlich die Dinge zu bespielen, die natürlich jetzt auch im Sinne der Versicherer eine hohe Aktualität haben. Also KI, das ganze Thema, wie kann man sozusagen die Prozesse im Unternehmen besser machen, wie werden wir kundenorientierter, das ganze Thema Ökosysteme in der Versicherungsbranche. Dann die ganze neue IT-Regulierung, dieses Thema Financial Data Access, also FIDA. DORA ist nach wie vor ein großes Thema. Also da steht schon einiges an. Ich muss aber darauf immer hinweisen, vielleicht hört der eine oder andere Versicherer ja auch zu, dass das InsurLab ein Mitmachverein ist, und alle sind herzlich eingeladen, mitzumachen.
00:34:27: Björn Radtke: Guter Werbeblock, Rainer. Du hast am Anfang beschrieben, was tut sich alles in der Versicherungsbranche. Du hast auch gesagt, was sich tut, tut sich halt langsam. Jetzt frage ich mich schon, wie sieht Versicherung im Jahr 2030 aus? Ist das ganz anders oder ist das noch so wie heute und ein bisschen besser?
00:34:51: Rainer Brune: Also fünf Jahre sind ja nicht wirklich viel, was bestimmte Themen angeht. Wenn ich jetzt mal überlege, dass die Ablösung eines Bestandsführungssystems bei einem großen Versicherer heute ungefähr einen Zeitrahmen hat von fünf bis acht Jahren, würde ich mal ungefähr schätzen. Vielleicht geht es auch ein bisschen schneller. Dann bist du ja schon schnell im Jahr 2030. Bestimmte Dinge werden nicht so schnell gehen. Entsteht natürlich auch da gleich ein Problem, weil wir ja wissen, dass sich bestimmte andere Technologieentwicklungen deutlich schneller entwickeln. Also da ist ja eine Diskrepanz da. Also wie schnell komme ich eigentlich zum Ziel? Aber man muss ja realistisch bleiben. Ich glaube nicht, dass wir im Jahr 2030 eine Situation haben, wo es das Geschäftsmodell Versicherung nicht mehr gibt. Wo das alles abgelöst ist, wo Versicherer nur noch White Label machen und ansonsten verschwunden sind und alles irgendwo im Ökosystem verschwunden ist, glaube ich nicht. Ich glaube auch nicht, dass die personenbezogene Beratung wegfällt. Ich würde mir wünschen, und ich glaube, das wird auch passieren, denn die Versicherer haben den Zug der Zeit erkannt, dass wir deutlich kundenorientierter werden. Dass wir in den Prozessen deutlich digitaler werden, dass man wirklich auch diese Themen stärker in den Zielen wiederfindet, also digital first. Stringente Prozesse, dass man auch stärker in Richtung der Ergebnisse steuert. Ja, ich glaube, dann hätten wir schon einen großen Schritt getan. Ich bin da aber echt hoffnungsfroh. Ich bin ein Fan der Versicherung. Ich bin aus Leidenschaft dabei, und ich finde es nach wie vor spannend.
00:36:29: Björn Radtke: Ich glaube, dass das auf einem guten Weg ist. Das ist doch mal ein positiver Ausblick für die Versicherer. Okay, Rainer, ganz herzlichen Dank für den Überblick über die Breite der Themen in der Versicherung und so ein bisschen tiefer auch in die Frage von Steuerung und Daten. Ich freue mich, wenn wir auch in ein paar Jahren hier wieder zusammensitzen und sagen, wie war es denn jetzt? Hat es sich so langsam entwickelt, wie wir es vermutet haben oder auch nicht? Herzlichen Dank, Rainer.
00:36:54: Rainer Brune: Gerne.
00:36:57: Podcast: Das war es für diese Episode von Zielführung starten. Wir hoffen, dass Ihnen dieses Expertengespräch gefallen hat und Sie wertvolle Einblicke gewinnen konnten. Wenn Ihnen unser Management-Podcast gefällt, abonnieren Sie uns, um keine Folge zu verpassen. Auch freuen wir uns über Ihre Bewertung, denn Ihr Feedback hilft uns, den Podcast weiterzuentwickeln und den Hörern bestmögliche Orientierung zu geben.
00:37:35: Podcast: Das war "Zielführung starten", der Management-Podcast von CTcon.
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